begründerin des mäeutischen Pflege- und Betreuungsmodells
Cora van der Kooij
geboren 1946 in Amsterdam, gestorben 2018 in Utrecht
In der zweiten Hälfte der 60er-Jahre machte sie eine Ausbildung zur Krankenschwester – es waren besonders die menschlichen und gefühlsmässigen Aspekte der Pflege, die sie beschäftigten, nicht so sehr die medizinisch-technische Seite ihres Berufes. 1969 begann sie ein Geschichtsstudium, kehrte nach dessen erfolgreichem Abschluss aber wieder in die Pflege zurück. Besonders berührt war sie von der Arbeit mit alten Menschen. Ihre Tätigkeit als Praxisbegleiterin in einer Pflegeeinrichtung führte dazu, dass sie eine fachdidaktische Methode für die umgangstechnischen und emotionalen Aspekte der Arbeit von Pflegekräften entwickelte.
Mäeutik definierte sie als «Hebammenkunst für Pflegetalent». Sie begann mit der Entwicklung und Einführung in der Altenpflege, da die Not dort am grössten war. Das feinfühlige Abstimmen auf das emotionale Energieniveau eines Patienten oder Bewohners gehört jedoch zur professionellen Fachkompetenz aller Pflegekräfte. Inzwischen hat sich die Mäeutik zu einem allgemeinen Pflege- und Betreuungsmodell entwickelt. Keine andere Berufsgruppe kommt den Menschen so nahe wie die Pflege und das immer wieder aufs Neue. Dazu braucht es Begabung – diese Begabung betrachtet sie als Talent.
Ursprung der Mäeutik
Cora van der Kooij:
«In den Jahren 1982 bis 1985 war ich als pflegewissenschaftliche Forscherin am Instituut voor Verplegingswetenschap (Institut für Pflegewissenschaft) tätig. Dort habe ich die «mäeutische didaktische Methode» entwickelt. Der Begriff «mäeutisch» bedeutet «befreiend, erlösend», nicht zuletzt im Sinne einer Entbindung, und wurde vom altgriechischen Philosophen Sokrates geprägt. Sokrates stellte seinen Mitmenschen Fragen, um ihnen – einer Hebamme gleich – bei der «Entbindung» der eigenen inneren, unbewussten Einsichten zu helfen. So eröffnet also der «mäeutische Lehrer» einen Dialog, dessen Ergebnis nicht im Voraus feststeht. Mäeutik definiere ich als «Hebammenkunst für Pflegetalent». Die mäeutische Methode entspricht auch der Befreiungspädagogik von Paulo Freire: Der Lernstoff wird durch die Arbeits- und Lebenserfahrung des »Lehrlings» geformt. Gelernt wird durch einen Dialog und die Übung in der Praxis. Die mäeutische Methode liegt dem mäeutischen Pflegekonzept bzw. dem mäeutischen Pflege- und Betreuungsmodell zugrunde. Der Kern dieses Modells ist die erlebensorientierte Pflege.»
»Mein erster Zugang zur Entwicklung der mäeutischen Methode war die Demenzbetreuung, weil die Not in diesem Bereich am grössten war. Das feinfühlige Abstimmen auf das emotionale Energieniveau eines Patienten oder Bewohners gehört jedoch zur professionellen Fachkompetenz aller Pflegekräfte. Auf diese Weise hat sich die Mäeutik zu einem allgemeinen Pflege- und Betreuungsmodell entwickelt.»
»Den Begriff »Professionalität» definiere ich als »die Fähigkeit, authentisch und kreativ zu beobachten, zu reagieren und, wenn nötig, zu handeln, und dieses Verhalten anschliessend in Worte zu fassen und zu begründen. In diesem Sinne tauscht ein mäeutisch arbeitendes Team immer wieder Erfahrungen aus und stellt sich Fragen: »Was bedeutet das Verhalten dieses Bewohners, woher kommt es, was braucht er, wie können wir Kontakt oder sogar eine Beziehung zur Stande bringen? Wer hatte schon mal guten Kontakt?»
Akademie für Mäeutik Niederlande
Unter der Bezeichnung IMOZ, eine Abkürzung, die sich aus den Anfangsbuchstaben des niederländischen Namens für »Institut für die mäeutische Entwicklung in der Pflegepraxis» zusammensetzt, hat sich die erste Akademie für Mäeutik entwickelt.
Im Dezember 2004 wurde in Deutschland ein Verein mit dem Namen IMOZ – Institut für mäeutische Entwicklung der Pflegepraxis gegründet. Das wichtigste Ziel dieses Vereins ist es, den Bekanntheitsgrad des mäeutischen Pflege- und Betreuungsmodells zu erhöhen und die Arbeit nach diesem Modell zu fördern.
Im Jahr 2008 gründete der Vorstand des Deutschen IMOZ-Vereins die IMOZ-Akademie für Mäeutik Deutschland.
Ab April 2016 hat die Entwicklung einen weiteren Fortschritt gemacht. Der Verein wurde aufgehoben und ein neuer Verein wurde gegründet, mit dem Namen Akademie für Mäeutik e.V. mit Sitz in Köln.
Mäeutik in Österreich
Durch die Veröffentlichungen in deutschen Fachzeitschriften und durch einige Vorträge in Deutschland wurde Mäeutik auch in Österreich bekannt.
siehe www.IMOZ.at
Akademie für Mäeutik Schweiz
Die jüngste «Niederlassung» wurde im Juni 2018 in Basel gegründet.
Cora van der Kooijs Aufgabe blieb bis zuletzt die Weiterentwicklung des mäeutischen Pflege- und Betreuungsmodells.
Mäeutik
Die Termini Mäeutik (Hebammenkunst) und mäeutisch (erlösend oder befreiend) leiten sich von der Methode ab, die Sokrates im Gespräch mit seinen Schülern anwandte.